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Wie geht Stadtentwicklung, wenn die Haushaltstöpfe leer sind?
Sind Kooperationen wie BIDs ein Lösungsansatz für die Stadt der Zukunft – vor allem bei leeren Haushaltstöpfen und auslaufenden Förderprogrammen? Als Quartiersmanagerin bin ich täglich mit dieser Frage konfrontiert. Meine Antwort:
Ja – wenn man bereit ist, umzudenken. Wenn man Stadt nicht mehr nur als Aufgabe der Verwaltung, sondern als Gemeinschaftsprojekt versteht. Denn gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen ist es umso wichtiger, neue Wege zu gehen.
Hamburg zeigt mit seinen mittlerweile 14 Business Improvement Districts (BIDs), dass Public-Private-Partnerships (PPP) ein sehr wirkungsvoller Hebel sein können, um Stadtentwicklung voranzubringen. Nicht als Ersatz für staatliche Verantwortung – aber als partnerschaftlicher Schulterschluss zwischen öffentlicher Hand, Immobilienwirtschaft, Gewerbetreibenden und Quartiersakteuren.
Kurzfassung:
Julia Staron ist Expertin für Strategieentwicklung und Quartiersmanagerin in Hamburg. Sie beleuchtet das PPP-Modell der Business Improvement Districts (BIDs) am Beispiel des BID Neuer Wall und des BID Reeperbahn+ in Hamburg. Mit Insiderblick und Erfahrung zeigt Julia Staron auf, warum BIDs als PPP-Modelle ein Schlüssel für resiliente und attraktive Quartiere sind.
Ich persönlich arbeite als Quartiersmanagerin im BID Reeperbahn+ im Stadtteil St. Pauli, einem der wohl ungewöhnlichsten, herausforderndsten – und inspirierendsten! – Quartiere der Stadt. Aber bevor ich davon erzähle, ein kurzer Blick auf das Grundprinzip eines BID:
Was ist ein Business Improvement District (BID)?
Ein Business Improvement District (BID) ist ein klar definiertes Geschäftsquartier, in dem sich Eigentümer:innen und in der Regel auch Gewerbetreibende zusammenschließen, um ihr Umfeld aktiv zu gestalten. Die Stadt ermöglicht diesen Zusammenschluss rechtlich und begleitet ihn organisatorisch. Finanziert werden die Maßnahmen eines BID von den Grundeigentümer:innen – über einen befristeten Umlagezeitraum von fünf Jahren.
Ziel eines BID ist es, die Attraktivität, Aufenthaltsqualität und Wettbewerbsfähigkeit des Quartiers nachhaltig zu verbessern – zum Beispiel durch Maßnahmen rund um Sauberkeit, Sicherheit, Marketing, Infrastruktur oder Events. Dabei gilt: Alles, was nicht zu den hoheitlichen Aufgaben gehört, kann zum Gegenstand von BID-Maßnahmen werden.
Best Practice aus Hamburg: BID Neuer Wall und BID Reeperbahn+
BID Neuer Wall – Eleganz, Konsequenz und Vermarktungsstrategie
Der Neue Wall gilt als die „Königin der Einkaufsstraßen“ Hamburgs – und ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Hier ist sichtbar, was ein BID leisten kann, wenn Anspruch, Design und Wirtschaftskraft zusammenkommen. Neben einem hochwertigen Erscheinungsbild – Pflasterung, Stadtmöblierung, Lichtkonzept, Begrünung – setzt das BID Neuer Wall auf stringente Markenbildung: Events wie der Hüttenzauber Neuer Wall, die Sommergärten oder saisonale Kunstinstallationen schaffen Wiedererkennung.
Gleichzeitig wird viel hinter den Kulissen geleistet: Eine starke Standortgemeinschaft (aus Gewerbetreibenden, Grundeigentümer:innen und Arbeitskreisen) trifft sich regelmäßig, um Leerstände gezielt zu vermeiden, Mieterstrategien zu koordinieren, sich mit der Verwaltung auszutauschen und neue Services für Kund:innen zu entwickeln. Es wird viel investiert – nicht nur finanziell, sondern auch emotional und strategisch.
„Das BID Neuer Wall in der Hamburger Innenstadt ein echtes BID-Erfolgsmodell.“
BID Reeperbahn+ – Vielfalt, Konflikte und Identität
Auf St. Pauli ticken die Uhren anders. Hier arbeiten wir im BID Reeperbahn+ mit einem deutlich breiteren Themenfächer – und mit einer enormen Diversität an Akteur:innen. Rotlicht und Rockmusik, Tourismus und Theater, Anwohner:innen und Einzelhandel – auf der Reeperbahn prallen Welten aufeinander. Umso wichtiger ist ein verlässliches Quartiersmanagement, das vermittelt, moderiert, organisiert und Dinge möglich macht, die sonst oft an Zuständigkeiten oder Vorurteilen scheitern würden.

Julia Staron (Mitte) vom BID Reeperbahn+ promotet die Aktion Lieb sein! im Hamburger Stadtteil St. Pauli. An ihrer Seite: Quartiersmanager Lars Schütze (links) und Philip Peemüller, Projektleiter beim BID-Aufgabenträger Otto Wulff Placemaking (rechts)
Konkret haben wir unter anderem …
- mit dem ArtWalk nicht nur Kunst in den öffentlichen Raum geholt, sondern können über die einzelnen künstlerisch interpretierten Persönlichkeiten die Geschichten hinter der Geschichte erzählen und somit den Gästen und Anwohnenden die Besonderheiten St. Paulis näher bringen,
- eigene Reinigungsrouten eingeführt, die „Problemzonen“ gezielt adressieren,
- viele Eventformate konzipiert, mitgestaltet oder begleitet, die die kulturelle Vielfalt des Quartiers sichtbar machen (z. B. „St. Pauli blüht auf“, „100 Jahre Herbertstraße“),
- touristische Wegweisung mit Hilfe der App Scoutello entwickelt,
- „Runde Tische“ zum Thema Sicherheit gemeinsam mit Gewerbetreibenden und Polizei durchgeführt,
- mit dem Format „Reeperbahnrunde“ ein Tool für Service und Austausch geschaffen,
- mit der „Lieb sein!“-Kampagne den Zusammenhalt im Viertel gestärkt und eine klare Botschaft in die Welt getragen: St. Pauli ist bunt! Respektiert das!
All das wäre ohne das Instrument BID kaum möglich – zumindest nicht in dieser Verbindlichkeit und Struktur.
Alle BIDs in Hamburg (Stand: 2024)
In Hamburg gibt es aktuell insgesamt 14 BIDs. Sie zeigen die Vielfalt des Instruments – von Luxusmeile bis Nachbarschaftsquartier:
- BID Neuer Wall
- BID Reeperbahn+
- BID Opernboulevard
- BID Quartier Gänsemarkt
- BID Hohe Bleichen / Heuberg
- BID Mönckebergstraße
- BID Nikolai-Quartier
- BID Bergedorf City
- BID Langenhorner Markt
- BID Wandsbek Markt
- BID Osterstraße
- BID Alstertal-Einkaufszentrum
- BID Harburg Innenstadt
- BID Grindelviertel
Jedes dieser BIDs hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Herausforderungen – und oft sehr kreative Antworten darauf gefunden. Mehr zu Business Improvement Districts in Hamburg erfahren Sie hier auf hamburg.de.
Warum BIDs Zukunft haben
Kooperation ist keine nette Zugabe. Sie ist essenziell. Denn die komplexen Herausforderungen unserer Zeit – Klimaanpassung, soziale Balance, Digitalisierung, Nutzungsmischung, Verödung von Innenstädten – lassen sich nicht mehr mit starren Zuständigkeiten oder Einzelmaßnahmen lösen.
BIDs schaffen ein Spielfeld, auf dem unterschiedlichste Akteur:innen zusammenarbeiten können – strategisch, verbindlich und mit einem klaren Ziel: mehr Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit für unsere Quartiere. Sie bieten Struktur, Ressourcen, Kommunikation – und nicht zuletzt ein Gefühl von Verantwortung für den eigenen Ort.
„Kooperation ist kein ‚nice to have‘, sondern essenzieller Erfolgsfaktor. PPP-Modelle wie Business Improvement Districts setzen genau hier an: Sie bieten Strukturen und Mittel – sowie die Chance, gemeinsam Stadt zu gestalten.“
Mein Fazit
Wenn wir in die Zukunft unserer Städte investieren wollen, brauchen wir neue Formen des Miteinanders. BIDs sind ein gelungenes Beispiel dafür. Sie setzen auf Partnerschaft statt auf Alleingänge. Und sie zeigen: Auch mit schmalem öffentlichen Budget kann viel bewegt werden – wenn viele mit anpacken.
Bild-Credit: BID Reeperbahn+
Julia Staron
ist Projektleiterin bei der Stadtmanufaktur, Künstlerin und Quartiersmanagerin im BID Reeperbahn in Hamburg