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Finanzierung im Stadtmarketing: Der Druck steigt, die Mittel schwinden
Das Stadtmarketing – egal ob als Amt oder Gesellschaft organisiert – steht unter zunehmendem Druck. Die Zeiten, in denen öffentliche Mittel in ausreichendem Maße und fast automatisch flossen und private Partner:innen aus dem lokalen Handel oder Wirtschaft aktiv mitwirkten, sind vorbei. Die Gründe dafür sind vielschichtig:
- Kommunale Haushalte schrumpfen: Zunehmende Ausgaben für Bildung, Soziales, Klima oder Infrastruktur verdrängen weiche Standortfaktoren wie Stadtmarketing in der politischen Debatte.
- Wirtschaftliche Zurückhaltung lähmt Engagement: Die Rezession zeigt Wirkung – weniger Beiträge, sinkende Budgets, gestiegene Risikoaversion.
- Strukturwandel im Einzelhandel: Filialisierung und Zentralisierung führen zu abnehmender lokaler Entscheidungskompetenz – viele Innenstadtakteure haben schlicht keinen Handlungsspielraum vor Ort.
- Nachhaltigkeits- und Klimaziele fordern Umdenken, erschweren aber kurzfristig klassische Formate wie Events oder Weihnachtsmärkte.
- Ehrenamtliche Ressourcen sind dünner geworden – nicht nur durch Corona, sondern auch durch Überlastung und eine veränderte Engagementkultur.
Kurzfassung:
Stadtmarketing braucht strategische Allianzen statt klassischer Finanzierungsmodelle. Warum das so ist, beleuchtet Stadtmarketing-Experte Thorsten Kausch in diesem Beitrag. Seine Überzeugung: Als Plattform für Kooperation, Kommunikation und gesellschaftlichen Zusammenhalt kann Stadtmarketing neue Partner finden – und zur treibenden Kraft in der Stadt der Zukunft werden.
Parallel zu diesen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen steigen die strategischen und politischen Anforderungen für Städte, das Stadtmarketing sowie für die Kooperation mit Stakeholdern:
- Städte stehen verstärkt im Wettbewerb um Aufmerksamkeit, Lebensqualität, Fachkräfte und Zukunftsperspektiven.
- Stakeholdermanagement wird stetig wichtiger und nimmt – weil People-Business – viel Zeit und damit Ressourcen in Anspruch.
- Stadtmarketing braucht eine neue Rolle – als Plattform für Beteiligung, Innovation und Standortkommunikation.
Neue Umstände erfordern kreativ-strategische Finanzierungsmodelle
Wir erleben all diese Veränderungen bereits seit einigen Jahren in unserer Zusammenarbeit mit Städten und Stadtmarketing-Organisationen in der DACH-Region – und beobachten die Folgen für die Finanzierung des Stadtmarketings:
Die klassischen Rollenbilder von „öffentlichem Geld“ und „privatem Engagement“ lösen sich auf. Die öffentlichen Träger erwarten mehr Wirkung für gleichbleibende oder weniger Mittel. Zugleich suchen private Akteur:innen klare Nutzenversprechen und strukturelle Beteiligung, um ihre Interessen bestmöglich einbringen zu können. Und auch die Stadtgesellschaft verlangt Transparenz, Teilhabe und Nachhaltigkeit.
Die Konsequenz: Das Modell aus Fördermitteln, Einzelhandelsbeteiligung und gelegentlicher Wirtschaftspartnerschaft greift zu kurz. Die Akteurslandschaft ist vielfältiger geworden, deren Erwartungen vielschichtiger, die damit verbundenen Aufgaben komplexer – und die Herausforderungen drängender.
Die Zukunft des Stadtmarketings liegt deshalb in strategischen Partnerschaften statt in kurzfristig gedachten Sponsorings.

Thorsten Kausch spricht auf dem Forum Innsbruck im September 2024 unter anderem über die neue Rolle von Stadtmarketing-Gesellschaften
Starkes Stadtmarketing zieht an: Drei Türöffner für zukunftsstarke Allianzen
Unter diesen neuen Umständen eröffnen sich drei zentrale Hebel für tragfähige, strategische Partnerschaften – sogenannte „Türöffner“, an denen die Stadtmarketing-Gesellschaften ansetzen können, um ihre Position zu stärken, neue Partner zu finden und ihre Finanzierung für die Zukunft zu sichern. Werfen wir gemeinsam einen Blick auf diese drei Aspekte:
1. Fach- und Arbeitskräftemangel als gemeinsames Anliegen
Ob Gastronomie, Einzelhandel oder Industrie – alle Branchen suchen händeringend nach Personal. Standortfaktoren wie Lebensqualität, Freizeitangebote und Identifikation mit der Stadt werden entscheidend. Stadtmarketing wird zum Standortfaktor für Arbeitgeber. Und umgekehrt werden Arbeitgeber zu wichtigen Verbündeten, weil sie ein starkes Interesse an der Entwicklung und Kommunikation eines attraktiven Lebensumfelds haben.
Der Vorteil: Stadtmarketing wirkt dort, wo klassische Wirtschaftsförderung endet – im Emotionalen, im Erlebbaren, im Miteinander. Und genau das zählt heute.
„Die Zukunft des Stadtmarketings liegt in strategischen Partnerschaften statt in kurzfristig gedachten Sponsorings.“
2. Transformation braucht Kommunikation und Kompetenzen als Vermittler
Die Transformation von Städten – ob durch Mobilitätswende, Innenstadtumbau, Digitalisierung oder Klimaanpassung – sorgt regelmäßig für Verunsicherung und damit für Widerstände. Oft fehlt es nicht an Ideen, sondern an:
- Transparenz,
- (Prozess-)Verständnis,
- Einbindung und
- emotionaler Beteiligung.
Stadtmarketing kann hier eine Schlüsselrolle übernehmen: als Vermittler, Übersetzer und Gestalter der Kommunikation zwischen Stadt, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft, damit aus Konflikten Chancen werden.
Beteiligung und strategische Kommunikation sind heute kein Add-ons, sondern zentrale Erfolgsfaktoren für die Veränderungen in Städten – und Bestandteil einer modernen Stadtentwicklung. Ziel ist es, komplexe Prozesse greifbar zu machen – und Anspruchsgruppen nicht nur zu informieren, sondern zu involvieren und zu aktivieren.
3. Stadtmarketing stärkt die Demokratie
Was oft vergessen wird: Demokratie lebt vom Lokalen. Von Begegnung, Austausch, Diskurs – aber auch vom Aushalten unterschiedlicher Perspektiven. Für Städte und Stadtmarketing gilt:
- Die Stadt ist Bühne für verschiedenste Lebensmodelle sowie Widersprüche und lebt von Gegensätzen.
- Gerade in der heutigen Zeit braucht Demokratie gemeinsame Räume und Erlebnisse, bei denen Menschen über Blasen hinweg miteinander in Kontakt kommen, die Perspektive des anderen verstehen und der Aushandlungsprozess starten kann.
- Demokratie lebt von Vertrauen, Sichtbarkeit und Zugehörigkeit – diese Gefühle entstehen nicht auf Social-Media-Plattformen, sondern in Parks, auf Plätzen, bei Stadtfesten, auf Märkten und in Begegnungsformaten.
Stadtmarketing kann genau diese Räume schaffen: Es kuratiert Erlebnisse, moderiert Diskurse, erzählt Geschichten, die verbinden – und bringt unterschiedliche Gruppen auf Augenhöhe zusammen. Die positiven Geschichten sind es, die den Stolz der Bürger:innen auf ihre Stadt steigern und damit eine Bindung und Identifikation erzeugen.
Die neue Rolle: Stadtmarketing als urbane Zukunftsplattform
Fassen wir kurz zusammen: Ich bin überzeugt, dass das Stadtmarketing sich in seiner Rolle und Struktur neu definieren und als urbane Zukunftsplattform positionieren muss. Und ich sehe, dass Städte wie Innsbruck oder Reutlingen, die diese Veränderung wagen, Stärke und Perspektiven gewinnen. Stadtmarketing-Gesellschaften wie diese werden zum/zur:
- Allianzbauern zwischen öffentlicher Hand, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
- Kommunikationsdrehscheibe für Transformation
- Demokratiearchitektin im öffentlichen Raum
Das gelingt nicht mit alten Finanzierungsmodellen, sondern durch:
- zielgerichtete Partnerschaften
- hybride Finanzierungen (öffentlich, privat, förderfähig)
- klare Projektlogik und nachvollziehbare Wirkungsmessung
- Einbindung neuer Akteur:innen – aus Wirtschaft, Kultur, Bildung, Sozialem
„In einer Zeit zunehmender Polarisierung und Desinformation wird Stadtmarketing zur demokratischen Infrastruktur im besten Sinne.“
Konsequenzen der neuen Rolle für Partnerschaften und Allianzen
Aus dieser veränderten Rolle ergeben sich zentrale Konsequenzen für das Management von Partnerschaften – und damit auf für die Finanzierungsmodelle von Stadtmarketing-Gesellschaften.
1. Neue Partner:innen werden relevant – traditionelle verlieren an Exklusivität
Der klassische Fokus auf Einzelhandel und Tourismus wird um Akteure aus Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Sozialem und Zivilgesellschaft erweitert. Konkret bedeutet dies, dass viele traditionelle Partner:innen (z. B. lokale Filialbetriebe) an Einfluss verlieren, während systemrelevante Arbeitgeber:innen oder Stiftungen an Bedeutung gewinnen.
Neue (Schlüssel-)Partner kommen hinzu bzw. erhalten eine höhere Gewichtung. Hier einige Beispiele:
- Unternehmen mit Fachkräfteinteresse
- Hochschulen und Bildungsträger
- Sozial- und Gesundheitseinrichtungen
- Kulturelle und zivilgesellschaftliche Initiativen
- Immobilien- und Wohnungswirtschaft
- Stiftungen mit Fokus auf Demokratie, Teilhabe, Nachhaltigkeit
2. Partnerschaften werden themen- und projektbezogen
Es braucht nicht mehr „die“ Partnerschaft auf Dauer, sondern passgenaue Allianzen für spezifische Projekte und Ziele. Nur wer konkrete Ziele und Nutzen klar benennt, gewinnt relevante Partner:innen. Diese können Geldgeber:innen, Flächengeber:innen, Multiplikator:innen oder Know-how-Träger:innen sein. Dadurch wird die Zusammenarbeit flexibler, wirksamer und leichter vermittelbar (auch intern und gegenüber der Öffentlichkeit). Das bedeutet auch:
- mehr temporäre, agile Kooperationsmodelle
- projektspezifische Ressourcenbündelung
- verbindliche Zieldefinition und Evaluation
- Partnerwahl folgt der Zielsetzung – nicht umgekehrt
3. Nutzenorientierung ersetzt reines Sponsoring
Partner:innen investieren nicht mehr „aus Goodwill“, sondern weil sie selbst von der mittelbaren Wirkung profitieren (z. B. Image, Fachkräftesicherung, Sichtbarkeit, Vertrauen in Stadtgesellschaft). Dieser Nutzen ist seitens des Stadtmarketings klar und individuell zu verargumentieren und über folgende neue Ansätze zu erreichen:
- „Win-Win-Stories“ statt pauschaler Sponsorendeals
- kooperative Finanzierung (öffentlich + privat + gefördert)
- Kombination aus Image, Sichtbarkeit, Mitgestaltung
4. Vertrauen, Haltung und Werte rücken in den Vordergrund
In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung und wachsender Unsicherheit werden Partner:innen auch nach inhaltlicher Passung, Haltung und Integrität ausgewählt. Gleiches gilt für Unternehmen und Organisationen, die mehr auf die Kompatibilität von Werten in ihrer Zusammenarbeit mit Städten achten. Dies führt zu:
- wertebasierten Partnerschaftsmodellen
- transparenter Kommunikation
- gemeinsamem Verständnis von Stadt als lebendigem, vielfältigem Raum
5. Stadtmarketing wird zur Ermöglicherin – nicht zur Hauptakteurin
Wie oben bereits diskutiert, verschiebt sich die Rolle des Stadtmarketings von der „machenden“ Instanz hin zur kuratierenden, koordinierenden und verbindenden Plattform. Und: Gute Partnerschaften entstehen nicht durch Kontrolle, sondern durch kluge Moderation, Vermittlung und Strukturgebung. Dieser Shift im Selbstverständnis und Beziehungsmanagement verändert auch die Rollen und Aufgaben des Stadtmarketings innerhalb von Partnerschaften:
- Plattformlogik in Projektsteuerung
- Förderung von Selbstorganisation und Teilhabe
- vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe
6. Starke Stakeholderkommunikation als Erfolgsfaktor
Unterschiedliche Anspruchsgruppen haben unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Sie passend und zielgerichtet einzubeziehen, schafft Vertrauen und sichert Prozesse. Voraussetzung für eine derart strategische und empathische Kommunikation im Stakeholdermanagement ist das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Anliegen der Personen und Organisationen, die sich hinter dem Sammelbegriff „Stakeholder“ verstecken. Es geht darum, die jeweilige Zielsetzung zu erkennen sowie eine angepasste Kommunikation – in Kanal, Sprache, Inhalt und Timing – zu wählen.
„Gute Partnerschaften entstehen nicht durch Kontrolle, sondern durch kluge Moderation, Vermittlung und Strukturgebung.“
Fazit: Gemeinsame Anliegen als Basis für strategische Allianzen – und nachhaltige Finanzierung
Die Rahmenbedingungen für das Stadtmarketing verändern sich seit Jahren grundlegend: Öffentliche Mittel reichen oft nicht mehr, Förderungen laufen aus, private Mittel sind schwerer einzuwerben – und gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Wirksamkeit, Beteiligung und Kommunikation.
Die Lösung liegt nicht in der Rückkehr zu alten Finanzierungsmodellen, sondern in der Neuausrichtung der Partnerstrategie: Stadtmarketinggesellschaften müssen sich als Plattform für Kooperationen, Kommunikation und demokratisches Miteinander begreifen – und neue wie alte Partner:innen projektbezogen, werteorientiert und nutzenklar einbinden.
Fachkräftesicherung, Stadttransformation und der Erhalt gesellschaftlicher Verbundenheit sind gemeinsame Herausforderungen, die neue Allianzen erfordern und ermöglichen – zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Stadtmarketing.
Nur so entsteht ein Stadtmarketing, das mehr ist als Standortwerbung – nämlich ein Gestaltungsinstrument für die Zukunft der Stadt.
Bild-Credit: Stadtmanufaktur GmbH, Flo Gassner (Innsbruck)
Thorsten Kausch
ist Geschäftsführer der Stadtmanufaktur und leidenschaftlicher Stratege, Impulsgeber, Netzwerker