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Foodhalle in Rotterdam

Destinationsmanagement ist weit mehr als Tourismusmarketing

Heute konkurrieren Städte und Regionen intensiver denn je um Bürger:innen, Gäste, Talente und Investitionen. Die Herausforderungen, mit denen urbane Räume konfrontiert sind – darunter Digitalisierung, demografische Entwicklungen und die Transformation der Innenstädte – erfordern koordinierte, neue Lösungsansätze.

Genau hier gewinnt das Destinationsmanagement (DM) an Relevanz. Es beschreibt die strategische Steuerung eines urbanen Erlebnisraums, in dem touristische Angebote, städtische Infrastruktur, Kultur, Handel und Lebensqualität ineinandergreifen. Im Unterschied zum reinen Destinationsmarketing, das sich auf Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen konzentriert, umfasst das Destinationsmanagement auch allgemeine städtische Prozesse, z. B. die Besucherlenkung und damit Teile der Verkehrslenkung, die Qualitäts- und Infrastrukturentwicklung sowie das Monitoring.

In der Regel wird das Destinationsmanagement von einer Destinationsmanagementorganisation (DMO) übernommen, die übergreifende Ziele wie Imagebildung, Verbesserung der Aufenthaltsqualität, Entwicklung von Erlebnissen und Steigerung der touristischen Wertschöpfung verfolgt.

Kurzfassung:

Laura Ebeling zeigt, warum Stadtmarketing und Tourismusmarketing das Destinationsmanagement (DM) als gemeinsame Aufgabe verstehen sollten. Sie erläutert zentrale Begriffe und Rollen, nennt Erfolgsfaktoren und gibt fünf konkrete Handlungsempfehlungen für ein integriertes Destinationsmanagement.

Destination, DM und DMO: Einordnung der zentralen Begriffe

Destination

Eine Destination ist ein geografisch klar umrissener Erlebnisraum – in diesem Fall die Stadt als geschlossenes Reise- und Aufenthaltsgebiet.

Destinationsmarketing

Destinationsmarketing umfasst die Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen zur Positionierung der Stadt als Reiseziel und zur Erzeugung von Nachfrage.

Destinationsmanagement (DM)

Destinationsmanagement (DM) ist ein ganzheitlicher, strategischer Führungsprozess, der Planung, Angebotsentwicklung, Infrastruktur, Stakeholder-Koordination, Qualitätsmanagement und Kommunikation vereint.

Destinationsmanagementorganisation (DMO)

Eine Destinationsmanagementorganisation (DMO) ist eine Institution, die in Form einer GmbH, eines Eigenbetriebs oder eines Vereins organisiert ist und sämtliche Aufgaben des Destinationsmanagements bündelt und operativ verantwortet.

In der Praxis wird das Destinationsmanagement auch von ganzheitlich denkenden und handelnden Stadtmarketing- oder Tourismusmarketing-Organisationen übernommen. Beispiele dafür sind die Hamburg Marketing GmbH oder die StaRT – Stadtmarketing und Tourismus Reutlingen GmbH.

Wichtig ist: Ohne eine koordinierende Einheit für das Destinationsmanagement entstehen schnell parallele Strukturen, widersprüchliche Kommunikationslinien und Zielkonflikte zwischen den Akteursgruppen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft.

Tourismusmarketing und Stadtmarketing – eine logische Symbiose

Tourismusmarketing und Stadtmarketing haben ein gemeinsames Ziel: die Stadt als attraktiven, lebens- und besuchenswerten Ort zu positionieren. Ihre Perspektiven unterscheiden sich allerdings:

  • Tourismusmarketing kommuniziert hauptsächlich nach außen – es entwickelt touristische Erlebnisse, koordiniert Leistungsträger und vermarktet die Stadt als Reiseziel.
  • Stadtmarketing dagegen richtet sich vor allem nach innen, stärkt die Identifikation der Bürger:innen, positioniert die Stadt als Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensstandort und setzt Impulse für die Stadtgesellschaft und lokale Unternehmen. Aus diesen Aktivitäten heraus kreiert das Stadtmarketing Anknüpfungspunkte für die Kommunikation nach außen.

Genau in diesen Schnittstellen von Stadtmarketing und Tourismusmarketing liegt das Potenzial für eine starke Symbiose in Form von Destinationsmanagement. Denn ein konsistentes und überzeugendes Stadtbild entsteht, wenn Stadtidentität, touristische Angebote und externe Kommunikation strategisch aufeinander abgestimmt werden. Veranstaltungen etwa, die aus dem Stadtmarketing heraus geplant werden, bieten Potenzial für touristische Reiseanlässe. Gleichzeitig kann eine starke touristische Nachfrage neue Impulse für die Belebung der Innenstadt oder die Entwicklung urbaner Erlebnisräume setzen.

„In der Praxis verschwimmen die Grenzen zwischen Stadtmarketing und Tourismusmarketing oft. Daher der dringende Appell: Rollen und Aufgaben klären und Kräfte bündeln – für ein Destinationsmanagement, das die Stadt als großes Ganzes begreift und von dem alle profitieren.“

Laura Ebeling, Expertin für Stadtmarken und Stadtvermarktung

Damit diese Zusammenarbeit gelingt, braucht es regelmäßige Abstimmungsformate, eine strategische Maßnahmenkoordination und ein gemeinsames Verständnis für die Potenziale der Stadtmarke. Die Marke wirkt dabei als verbindendes Element – nach innen wie außen. Sie schafft Identifikation, leitet Inhalte und ermöglicht ein einheitliches Narrativ über alle Kanäle hinweg.

Entscheidend: Die Marke auf der Identität der Bürger:innen und Stärken aufzubauen und ins Außenbild zu vermarkten. Wer die Bürger:innen nicht einbezieht, riskiert, dass Inhalte nicht zur Stadt passen und aufgesetzt wirken.

Aufgabenverteilung von Destinationsmanagement und Stadtmarketing – ein Überblick

Handlungsfeld Stadt-marketing (stärker) Destinations-management (stärker) Gemeinsames Potenzial
Stadtmarke & Identität Internes Branding, Bürgerbindung Externe Markenführung für Gäste Einheitliches Stadtbild nach innen und außen
Events & Aktivitäten Stadtfeste, Beteiligungs-aktionen Veranstaltungs-kommunikation, Reisemotive Verlängerung von Aufenthalts-dauern
Innenstadt & Erlebnisräume Standort-aufwertung, Lebensqualität Besuchsanlässe, Erlebnis-inszenierung Attraktive Räume für alle Zielgruppen
Kommunikation & Kampagnen Standortimage, Fachkräfte- und Unternehmens-ansprache Reiseanreize, touristische Kampagnen Abgestimmte Kommunikation über alle Kanäle
Stakeholder-Management Netzwerk mit Wirtschaft, Kultur, Zivilgesellschaft Netzwerke mit touristischen Leistungsträgern Synergien durch gemeinsame Akteurs-beteiligung
Daten & Monitoring Standort-indikatoren, Imageanalysen Gästezahlen, Buchungs-verhalten, Wertschöpfung Ganzheitliche Messung der Stadtentwicklung

Erfolgsfaktoren für ein integriertes Destinationsmanagement

Gemeinsame Strategie als Grundlage

Ein integriertes Destinationsmanagement setzt voraus, dass Stadtmarketing und Tourismus eine gemeinsame strategische Grundlage erarbeiten. Dazu zählen:

  • klare Positionierung
  • definierte Zielgruppen
  • abgestimmte Erlebniswelten
  • priorisierte Handlungsfelder

Die gemeinsame Strategie bildet die Basis für das synergetische Handeln und eine konsistente Kommunikation.

Stakeholder:innen frühzeitig einbinden

Zentral für den Erfolg ist außerdem die frühe und kontinuierliche Einbindung relevanter Stakeholder:innen. Bereits in der Strategiephase sollten zentrale Akteur:innen aus den Bereichen Tourismus, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Bürger:innen integriert werden, beispielsweise durch eine Stakeholder-Map und dialogische Beteiligungsformate.

Die Einbindung darf jedoch nicht nach der Konzeptionsphase enden. Auch in der Umsetzungsphase sind Stakeholder:innen wichtige Partner, um Maßnahmen langfristig zu etablieren und gemeinsam weiterzuentwickeln.

Wichtig ist, regelmäßig einen Check-up durchzuführen und kritisch zu hinterfragen, ob neue Stakeholder:innen eingebunden werden müssen – oder bestehende wegfallen. Denn Stakeholdermanagement ist keine Momentaufnahme, sondern ein wandelnder Prozess.

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Authentische Stadtmarke etablieren

Die Stadtmarke bildet den zentralen Anker – auch im Destinationsmanagement. Sie sorgt für eine kohärente Kommunikation, stärkt die emotionale Bindung der Bürger:innen und dient als Grundlage für die externe Vermarktung. Wichtig ist, dass sie nicht abstrakt bleibt, sondern auf authentischen Stärkenfeldern basiert. Diese sollten in partizipativen Prozessen identifiziert und mit konkreten Angeboten verbunden werden.

Ein Beispiel ist Bitburg: Die Stadt nutzt ihre historische Identität – von der Römerzeit über die Gäßestrepper bis hin zur Brauereitradition – als profilbildende Elemente. Diese sind sowohl im Stadtmarketing als auch in der touristischen Kommunikation verankert. Dadurch sind glaubwürdige Erzählungen möglich, die vor Ort erlebbar sind, beispielsweise durch thematische Stadtführungen oder Veranstaltungsformate.

Stärken stärken – durch Bilder, Texte, Plattformen

Ein thematisch fokussiertes Themensetting, das auf dem identitätsbasierten Stadtprofil aufbaut, schafft zusätzlichen Mehrwert. Dies kann beispielsweise durch die Bereitstellung von Materialien wie Bilddaten und Textbausteinen oder durch die Einrichtung zentraler Plattformen erfolgen. So entsteht ein einheitliches Stadtbild über alle Kanäle hinweg – und im besten Fall eine Identifikation der Bürger:innen mit ihrer Stadt.

Ein Beispiel aus Menden: In einem Fotowettbewerb werden die Bürger:innen von Menden regelmäßig aufgefordert, Bilder zu bestimmten Themenfeldern einzureichen. Durch die partizipative Unterstützung von innen kann Menden das Markenbild nach außen stärken – und die eigene Mendener Mediendatenbank auf- und ausbauen.

Eindrücke aus der Mendener Mediendatenbank

Eindrücke aus der Mendener Mediendatenbank – gefüttert von den Bürger:innen, koordiniert vom Stadtmarketing (Quelle: www.stadtmarketing-menden.de/mediendatenbank/)

Best Practice für die Verzahnung von Stadtmarketing und Destinationsmanagement

Die Stadt Reutlingen in Baden-Württemberg zeigt, wie Stadtmarketing und Destinationsmanagement erfolgreich verzahnt werden können. Durch die organisatorische Bündelung beider Bereiche in der Stadtmarketing und Tourismus Reutlingen GmbH (StaRT) konnte eine klare strategische Ausrichtung erreicht werden.

Die Kampagne „Reutlingen kannst du nicht mögen. Nur Lieben.“ wurde in einem breit angelegten Beteiligungsprozess entwickelt. Sie verbindet Identität, Erlebnis und Standortprofil. Öffentliche und private Partner arbeiten in gemischten Gremien gemeinsam an der Umsetzung der Strategie. Über die zentrale Plattform visitreutlingen.de werden Angebote kommuniziert, während Datenanalysen dabei helfen, Wirkung und Potenziale zu messen.

Besonders im Innenstadtbereich zeigt sich die Verzahnung: Thematische Rundgänge, Erlebnisformate und eine abgestimmte Gestaltung stärken das Profil und schaffen eine spürbare Aufenthaltsqualität für Gäste und Einheimische gleichermaßen.

Verantwortliche der Kampagne Nur lieben in Reutlingen vor einem Plakat in der Stadt

StaRT-Geschäftsführerin Anna Bierig und Oberbürgermeister Thomas Keck (v. r.) mit Team vor einem Plakat der Nur-lieben-Kampagne in Reutlingen. Mit viel Selbstironie strahlt die Kampagne seit 2024 nach innen – und nach außen © StaRT

5 Handlungsempfehlungen für Stadtmarketing- und Tourismusorganisationen

Damit Stadtmarketing und Tourismus erfolgreich zusammenwirken, braucht es klare Strukturen, gemeinsame Ziele und abgestimmte Kommunikation. Die folgenden fünf Empfehlungen weisen den Weg hin zu einem integrierten Destinationsmanagement.

Fazit: Destinationsmanagement als Zukunftsaufgabe

Ein integriertes Destinationsmanagement ist weit mehr als nur ein Marketinginstrument: Es ist der strategische Ansatz, um das Potenzial einer Stadt erlebbar zu machen, ihre Identität zu stärken und mit Bürger:innen, Gästen und Partnern gemeinsam eine lebenswerte und zukunftsfähige Stadt zu gestalten.

Der Schlüssel liegt in einer abgestimmten Strategie, klaren Rollenbildern und strukturierten Abstimmungsprozessen. Eine starke Stadtmarke, die aus der Identität und den Stärken der Stadt entwickelt wird, bildet dabei das verbindende Element: Sie schafft Orientierung, Vertrauen und Wiedererkennbarkeit – für Bürger:innen wie für Gäste.

„Wenn Stadtmarketing und Destinationsmanagement organisatorisch und inhaltlich zusammengeführt werden, entsteht mehr als die Summe der Teile. Touristische Erlebnisse werden Teil des urbanen Alltags, Identität wird erlebbar, Kommunikation wird konsistenter – und die Stadt profitiert als Ganzes.“

Laura Ebeling, Expertin für Stadtmarken und Stadtvermarktung

Gleichzeitig ist integriertes Destinationsmanagement ein Beteiligungsprojekt. Es lebt von der aktiven Einbindung von Stakeholder:innen aus Verwaltung, Wirtschaft, Kultur, Tourismus und Zivilgesellschaft. Nur wenn alle relevanten Akteur:innen von Anfang an mitdenken und mitgestalten, kann die Strategie langfristig wirksam werden.

Für Städte bedeutet das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die gewachsenen Strukturen zu hinterfragen, Schnittstellen zu klären und gemeinsam neue Wege zu gehen. Denn eine lebenswerte, wettbewerbsfähige und zukunftsorientierte Stadt entsteht nur, wenn sie nach innen wie außen stimmig und strategisch geführt wird.

Laura Ebeling

Laura Ebeling

Laura ist Projektleiterin für Stadtmarken und Stadtvermarktung. Ihre Heimatstadt? Das grüne, lebenswerte Braunschweig

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